Damals, als Mauern und Zäune Löcher bekamen, geschah das oft zur selben Zeit. Parallel öffnete hier eine Brücke, wurde dort eine alte Straßenverbindung wieder hergestellt, und die Menschen lagen sich in den Armen. Auch 30 Jahre später fand das Gedenken an mehreren Orten in unserer Region gleichzeitig statt. Viele Menschen von beiden Seiten der Werra und ihre Gäste nahmen daran Anteil und halfen mit, die Erinnerung wachzuhalten.
Im Werratal zwischen Lauchröden und Hörschel wurde am 9. November erst gedankt und dann gewandert – eine gelungene Veranstaltung.
Die Pfarrerinnen Marita Fehr und Katrin Klöpfel berichten:
Besucher aus Thüringen und Hessen waren da. Und auch aus anderen Regionen Deutschlands. Und Banner waren aufgespannt an den Kirchenmauern: Banner, die überschrieben waren mit „Grenzenloses Werratal“! Das Glück wurde ausgiebig gefeiert am 9. November, das Glück, dass für die Werra seit 30 Jahren nicht mehr gilt: „Achtung, Flussmitte Grenze!“
Zuerst gab es einen Spaziergang von der Lauchröder Brücke zur Burgkirche Sankt Bartholomäus in Herleshausen. Auf dem Weg wurde an drei Stationen angehalten, innegehalten, gebetet.
Um 13 Uhr begann ein sehr gut besuchter Gottesdienst in der Burgkirche Sankt Bartholomäus in Herleshausen. In ihm kamen Viele zu Wort. Menschen erzählten, wie es war, das Leben mit der Grenze. In Lauchröden, zum Beispiel. Wo es nicht möglich war, unangemeldet Besuch zu bekommen. Und schon gar nicht Besuch aus der Bundesrepublik Deutschland. (Zeitzeuge: Reinhard Schneider)
Oder in Willershausen, von wo aus man sie sehen konnten, die Wartburg. Aber erreichbar war sie erst nach Wochen, wenn viele Formulare ausgefüllt und mancher Umweg bewältigt war. Für die Orte, die nahe der innerdeutschen Grenze lagen, war diese Grenze prägend und bestimmend. Und damit auch für die Menschen. (Zeitzeugin: Ursula Rößler)
Eine Frau, die 1989 geboren wurde, berichtete, dass es in ihrer Kindheit und Jugend ganz selbstverständlich war, mit dem Fahrrad zum Schwimmbad nach Gerstungen zu fahren. Oder ins Kino nach Eisenach. Und dass Sie bis heute fasziniert ist vom „Grünen Band“. Und dass die Natur sich den „Todesstreifen“ zurückerobert hat und dort wieder Leben blüht (Zeitzeugin: Kerstin Sippel)
Der Prediger war einer, dessen Mutter aus Dankmarshausen in Thüringen stammte und nach Grebendorf in Hessen geheiratet hatte. Für ihn, Prälat Bernd Böttner, hat diese Grenze auch das Leben seiner Familie beeinflusst. Er betonte vor allem den Dank. Den Dank darüber, dass die Wende möglich wurde, nicht erkämpft mit Gewalt, sondern mit Mut und Beharrlichkeit. „Mit meinem Gott überspringe ich Mauern“, dieser Psalmvers war ein zentraler Satz im Gottesdienst. Der Flötenchor Herleshausen half mit seinen musikalischen Beiträgen dazu, dass Raum entstand, den eigenen Gedanken und Empfindungen nachzugehen. Pfarrer aus Thüringen (Pfr. Dr. Michael Beyer; Pastor Mike Zacharias) waren eingebunden in die Liturgie. Ebenso evangelisch, freikirchliche und römisch-katholische Gemeindemitglieder (Ute Göpel; Michael Janus; Karl-Heinz Brack).
Im Anschluss an das Fürbittgebet wurde spontan dazu eingeladen, sich ein Zeichen des Friedens zu geben. Und die Menschen folgten dieser Aufforderung sehr gern. Die Leitung des Gottesdienstes lag in den Händen von Pfarrerin Katrin Klöpfel aus Nesselröden und Pfarrerin Marita Fehr aus Herleshausen.
Als der Gottesdienst zu Ende ging, hatten Mitglieder des Werratalvereins und des Förderkreises Burgkirche eine Wegzehrung vorbereitet, denn direkt im Anschluss startete eine Wanderung Richtung Thüringen. Werratalverein und Rennsteigverein arbeiteten Hand in Hand, Klaus Gogler führte mehr als 200 Wanderer über Wartha, Göringen und Neuenhof, immer an der Werra entlang nach Hörschel. Zwischendurch gab es Informationen, Getränke oder Speisen, und, vor allem, Gespräche.
In Hörschel war dann nicht nur die Glut vorhanden, auf der die Würstchen bruzzelten. Auch der Ofen in der Hörscheler Kirche war angeheizt worden, so dass man sich dort gleich wärmstens willkommen fühlte. Pfarrerr Dr. Beyer aus den Dörfern im Eltetal und Pastor Zacharias aus Oberellen gestalteten ein Friedensgebet, das das Gedenken inhaltlich abschloss.
Und dann wurde weiterhin die Möglichkeit genutzt, in der Gaststätte „Tor zum Rennsteig“ noch beieinander zu bleiben. Bei musikalischen Hits aus „Ost“ und „West“ aus der Zeit der Wendejahre.
Thüringer und Hessen, Mitglieder des Rennsteigvereins und des Werratalvereins, Mitglieder der unterschiedlichen Kirchengemeinden und Menschen ohne Kirchenzugehörigkeit, sie feierten 30 Jahre grenzenloses Werratal.
Marita Fehr / Katrin Klöpfel
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Bildergalerien von Achim Wilutzky und Klaus Gogler