Burgkirche St. Bartholomäus zu Herleshausen

Liebe Herleshäuser,
viele Schätze unseres Ortes haben wir während der Vorbereitungszeit unseres Festes gehoben und machen sie nun im Jubiläumsjahr nachhaltig sichtbar. Ein Schatz ist die Geschichte unserer Burgkirche. Bereits Pfarrer Dr. Jaspert hatte in der Vergangenheit herausgefunden, dass sie dem Heiligen Bartholomäus einst geweiht wurde. Aber für weitere Schritte war damals die Zeit noch nicht reif. Als sich Pfarrer Dr. Gerland für die 1000-Jahr-Feier mit der Geschichte unserer Kirche beschäftigte, wurde Bartholomäus wieder entdeckt. Wie schön, dass wir nun im Jahr 2019 den alten Namen und damit das alte Patrozinium der Burgkirche wieder in Gebrauch nehmen. Noch müssen wir uns an den erweiterten Namen gewöhnen. Hilfreich ist dazu immer Hintergrundwissen.

Im Festgottesdienst am Samstag, 24. August 2019, gaben uns einige Schauspieler der Werralöwen unter der Regie von Harry Weghenkel einen Einblick in das Leben des Nathanael Bartholomäus, einer der zwölf Apostel Christi. Nach dem Gottesdienst und der Stärkung durch Kaffee und Gebäck bot Pfarrer Dr. Gerland noch einmal eine Führung durch unser Gotteshaus an, dessen Geschichte wahrlich recht vielfältig ist. Zum stehenden Festzug interessierten sich unsere Gäste für die Burgkirche, am Samstag kamen nun wir Einheimischen in den Genuss der Erklärung.

Schon zu Himmelfahrt tat uns die Festpredigt unserer Pröpstin Frau Wienold-Hocke gut und wir kamen darüber ins Gespräch. Auch dieses Mal hat uns die Pröpstin erlaubt, ihre Predigt über Nathanael Bartholomäus zu veröffentlichen. Es wäre doch wieder ein schönes Gesprächsthema und vielleicht sprechen wir eines Tages ganz selbstverständlich von unserer Burgkirche St. Bartholomäus zu Herleshausen.
Anette Wetterau

Hier geht´s zum Bericht der Werra-Rundschau: Burgkirche

Pröpstin Katrin Wienold-Hocke

Predigt von Pröpstin Katrin Wienold-Hocke aus Kassel zur Feier der Namensgebung Burgkirche St. Bartholomäus in Herleshausen am 24.8.2019 – Predigttext: Johannes 1, 45 -51

Philippus findet Nathanael und spricht zu ihm: Wir haben den gefunden, von dem Mose im Gesetz und die Propheten geschrieben haben, Jesus, Josefs Sohn, aus Nazareth. Und Nathanael sprach zu ihm: Was kann aus Nazareth Gutes kommen! Philippus spricht zu ihm: Komm und sieh! Jesus sah Nathanael kommen und sagt von ihm: Siehe, ein rechter Israelit, in dem kein Falsch ist. Nathanael spricht zu ihm: Woher kennst du mich? Jesus antwortete und sprach zu ihm: Bevor Philippus dich rief, als du unter dem Feigenbaum warst, habe ich dich gesehen. Nathanael antwortete ihm: Rabbi, du bist Gottes Sohn, du bist der König von Israel! Jesus antwortete und sprach zu ihm: Du glaubst, weil ich dir gesagt habe, dass ich dich gesehen habe unter dem Feigenbaum. Du wirst noch Größeres sehen als das. Und er spricht zu ihm: Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Ihr werdet den Himmel offen sehen und die Engel Gottes hinauf- und herabfahren über dem Menschensohn.“

Wir brauchen mehr Heilige, liebe Schwestern und Brüder in Herleshausen, wir brauchen Menschen, die sich mit Hingabe für Andere einsetzen, die glauben und dazu stehen, Menschen, die anpacken, mutig vorangehen, die Flagge zeigen und ihr Gesicht. Sie bewegen viel. Jeder Ort, jeder Verein, jede Bewegung ist auf der Suche, nicht nur die SPD braucht neue Vorsitzende. Die Zeitung braucht die Heiligen, weil sie gute Geschichten von ihnen erzählen kann. Ihre wunderbare 1000-Jahr-Feier war möglich, weil es sie in Herleshausen gibt, solche Menschen, ohne sie würden wir heute diesen Gottesdienst nicht feiern.

Da fängt ein unscheinbares Schulmädchen in Schweden an, freitags zu streiken, weil sie sieht, dass die Erderwärmung unsere Zukunft bedroht. Sie hält eine bewegende Rede beim Weltklimagipfel in Kattowitz, – und Sie wissen, was Greta Thunberg mit ihren eindringlichen Warnungen auslöst. Die große Politik beachtet sie, hoffentlich bald auch wirklich mit konkretem Handeln. Für die einen ist sie eine Heilige, weil sie für ihre Sache brennt. Sie bringt junge und auch erwachsene Leute auf die Straße. Für die andern ist sie eine Spinnerin. So ist das wohl mit Heiligen. An ihnen scheiden sich die Geister. „Greta wirft Journalisten raus“, „Tränen beim Europagipfel“: auch die Lust daran, Heilige vom Sockel zu holen, ist groß in unserer Zeit, um dann festzustellen: Seht ihr, doch nur ein Mensch. Mit dem Unterton: Man kann ja doch nichts machen… Dabei ist es gerade die Einschränkung durch das Asperger-Syndrom, die Greta so klar in der Sache sein lässt. Gerade dass da keine perfekte Schönheit und ausgereifte Persönlichkeit steht, regt zum Mitmachen an. Menschen wie du und ich, mit ihren Grenzen und ihren besonderen Begabungen, können etwas bewegen, weil Gottes Geist sie bewegt. Sie haben eine Berufung, der sie folgen – das ist doch unsere nüchterne evangelische Überzeugung. Wir brauchen Gesichter und Namen.

Ihre Burgkirche soll von heute an wieder Burgkirche St. Bartholomäus heißen. Sie heben einen weiteren Schatz aus ihrer reichen Tradition. Das ist eine gute, zeitgemäße Idee. Denn Menschen gehen weniger selbstverständlich in ihre Kirche, sie suchen das Besondere, Profilierte, um ihre geistliche Heimat zu finden. Aber ist die Idee evangelisch? Vor zwei Jahren haben wir hier zusammen 500 Jahre Reformation gefeiert. In deren Folge sind die Reliquien und die Heiligen aus den Kirchen verschwunden, weil Luther wiederentdeckt hatte: Kein Mensch, auch nicht der größte Heilige, kann von sich aus, mit seinen guten Werken, vor Gott bestehen – es ist Gott, der uns seine Gnade schenkt. Wir brauchen keine Heiligen, damit sie für uns beten. Jesus tritt für uns ein, das ist mehr als genug. Luther selbst hätte aber den Namen der Kirche wahrscheinlich erhalten, denn die Heiligen waren ihm trotzdem lieb – nicht als Mittler, wohl aber als Vorbilder. Im Augsburger Bekenntnis von 1530 heißt es: Vom Heiligendienst wird von den Unseren also gelehrt, dass man der Heiligen gedenken soll, auf dass wir unsern Glauben stärken, so wir sehen, wie ihnen Gnade widerfahren, auch, wie ihnen durch Glauben geholfen ist, dazu, dass man sich ein Beispiel nehme an ihren Werken.

Dazu erinnern wir also an die Heiligen. Wir erzählen, auf welche besondere Weise Gott in ihrem Leben gewirkt hat.

Bartholomäus, an den wir heute erinnern, ist ein eher unbekannter Heiliger. Mir fiel nur ein: Ich zeig dir, wo der Bartel den Most holt. Eher ein unfreundlicher Satz, eine Drohung: Dir werde ich sagen, wo es langgeht. Erst auf Ihre Einladung hin habe ich mich schlau gelesen. Dieser Spruch hat seinen Ursprung darin, dass der heilige Bartholomäus als Schutzpatron unter anderen der Bauern, Hirten, Fischer und Winzer gilt. Der 24.8., der Bartholomäus-Tag, markiert das Ende des Sommers. Für Bauern und Winzer war er ein wichtiger Lostag. Wirte konnten ihr Schankrecht verlieren, wenn sie am Bartholomäus-Tag noch keinen Most hatten.

Bartholomäus ist aber auch im evangelischen Heiligenkalender, weil er zu den Jüngern Jesu gehört. Bartholomäus ist einer von den zwölf Aposteln. Nathanael wird er auch genannt. Von Nathanael hören wir kurz, aber tief, wie immer, im Johannesevangelium. Wie er zum Glauben kommt. Wie Gott in seinem Leben wirkt, wie sein Licht ihn verändert. Philippus, selbst gerade erst Jünger geworden, findet ihn, heißt es. Mit diesem Wort „findet“ ist viel gesagt: Gott sucht – und die Menschen werden gefunden. Nathanael ist schon vor seiner Berufung ein frommer Jude. Darum hat er verstanden, was Philippus meinte, als er ihm sagte: „Komm mit! Wir haben den gefunden, von dem wir im Gesetz und bei den Propheten lesen – der Messias, auf den wir hoffen.“ Nathanael ist zwar gläubig, aber weder leicht- noch gutgläubig. Ein Skeptiker. Ein spöttischer Städter, so haben wir ihn eben im Theaterstück erlebt. Wer soll der große Friedenskönig sein? Ein Zimmermannssohn? Jesus ist aus Nazareth, das ist finsterste Provinz, in der Viele nicht einmal lesen und schreiben können. „Was kann aus Nazareth schon Gutes kommen“, sagt Nathanael. Unser Vorbild, der werdende Heilige. Wir merken uns: Er verschweigt seine Zweifel nicht. „Komm und sieh“, sagt Philippus zu Nathanael.

Beneidenswert, dachte ich. Wenn ich heute sagen könnte: Komm mit und schau ihn dir an, den Jesus von Nazareth, dann würde der eine oder andere Skeptiker nach dem Motto: Ich glaube nur, was ich sehe – der würde vielleicht glauben, was er sieht. Aber Jesus dreht die Geschichte um. Ich habe dich gesehen, unterm Feigenbaum, sagt er zu Nathanael. Du bist ein rechter Israelit, ein Gläubiger ohne Tadel. Und Nathanael glaubt, nicht weil er sieht, sondern weil er gesehen wird. Ein wunderbarer Anfang für den Glauben. Gott sieht dich, und er sieht dir ins Herz. Er erkennt tiefer, als du dich selbst erkennen kannst. Und sagt dir, was du dir nicht selbst sagen kannst. Du bist ein angesehener Mensch. Das überzeugt den Nathanael. „ Du bist Gottes Sohn“ bekennt er. Und macht sich mit Jesus auf den Weg. Bis zum Ende am Kreuz und bis zum Neuanfang an Ostern. Pfingsten war Nathanael in der Jüngergruppe. So viel erfahren wir vom Heiligen in der Bibel. Sich von Gott finden lassen, Zweifel nicht verschweigen, angesprochen werden und im tiefen Herzen erkannt – das ist seine besondere Tradition. Die Farbe, in der Gottes Licht ins Leben des Bartholomäus und in diese Kirche, auf unsere Gesichter, scheint. Mit ihm können wir uns auf den Weg von Glauben und Liebe machen, den Weg mit Jesus aus Nazareth. Vom Apostel Bartholomäus wird später berichtet, dass er das Evangelium bis nach Indien gebracht haben soll. In Armenien, so die Legende, ist er dann auf Befehl des Königs Astyages gemartert und getötet worden. Weil man ihm vor der Enthauptung die Haut abgezogen hat, trägt er auf Bildern zum Beispiel in der sixtinischen Kapelle seine eigene Haut wie ein zusammengelegtes Hemd über dem Arm. Und ist doch sehr lebendig. Der Künstler malt den Auferstandenen. Einer, dem man das Fell über die Ohren gezogen hat, als Vorbild? Ja, so ist das bei Bartholomäus-Nathanael. Dieser Heilige ist mir im Leiden nahe, wenn ich das Gefühl habe, ich bin nackt und wehrlos, jede Berührung ist ein Schmerz. Nathanael hat in alledem den Mut nicht verloren. „Gott ist auf meiner Seite, ich bin auf Gottes Seite“ -das hat ihn gehalten im Leben, im Leiden, im Sterben. Vor Gott bin ich angesehen, auch wenn ich als Verlierer ende.

Gott sieht in mein Herz, und ich bin berufen zur Liebe. Damit fängt die Verwandlung der Welt an, unsichtbar und stark, stärker als der Tod. Das will der Heilige in alle Länder tragen. Christliche Märtyrer sind Vorbilder, weil sie auf mehr als nur ihr eigenes Überleben, auf ein ewiges Leben bauen. Ein grausames Bild, der Heilige mit seiner Haut auf dem Arm – und was für ein starker Trost! Nochmal Luther: Es gibt neben der Bibel kein nützlicheres Buch als Heiligenlegenden, weil man darin gar lieblich findet, wie sie Gott von Herzen geglaubt und mit dem Munde bekannt, mit der Tat gepriesen und mit ihrem Leiden und Sterben geehrt und bestätigt haben. Das tröstet und stärkt die schwachen Gläubigen, und macht die noch viel trotziger und mutiger, die vorher schon stark sind. Denn es hilft, wenn man auch die guten Beispiele hört und sieht. Sonst denkt ein schwaches Herz so: Siehe, du bist allein, der so glaubt und bekennt, tut und leidet.

Gemeinschaft der Heiligen sind wir in der Burgkirche St. Bartholomäus in Herleshausen. Gut, dass wir einander haben! Und Gottes Friede, der höher ist als alle unsere Vernunft, bewahre unsre Herzen und Sinne in Christus Jesus.

Amen.

Pröpstin Katrin Wienold-Hocke

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