… lag Herleshausen noch hinterm Zaun! Für unsere Thüringer Nachbarn war unser Dorf quasi unerreichbar: ausgesperrt – so wie der Rest der westlichen Welt. Für den Weg von der einen auf die andere Werraseite benötigte man viele Umwege und fast immer das Rentenalter. Herleshausen ausgezäunt, hinterm Schutzwall im Werratal.
Das alles änderte sich dann über Nacht, auch wenn es natürlich das Resultat eines hartnäckigen Prozesses war, jener friedlichen Revolution der DDR-Bürger. Heute vor 29 Jahren sprach Günter Schabowski in der legendären Pressekonferenz in Ost-Berlin die Sätze, die auch für unsere Region eine neue Zeitrechnung starteten. Nichts blieb, wie es war, und das war gut so!
Günter Schabowski trug im politischen Durcheinander jener Tage sicherlich seinen Teil dazu bei, dass die Nachricht genau in dieser Form zum Auslöser aller Jubel-Chaos-Tage und -Wochen wurde. Der ehemalige SED-Funktionär und frühere Chefredakteur des “Neuen Deutschland” stellte sich später der Verantwortung, arbeitete in einer neuen Zeit in seinem alten Beruf in einer Zeitungsredaktion und verbüßte wiederum Jahre später noch eine Gefängnisstrafe. Für mich persönlich ist es eine schöne Erinnerung, dass ich ihn als sympathischen, mitunter auch etwas schrulligen Kollegen beim Rotenburger Anzeigenblatt “Heimat-Nachrichten” kennen lernen durfte. Noch heute erzählen wir uns manch Anekdote von ihm …
Heute vor 29 Jahren – 9. November 1989 …
Einer dieser Tage, zu denen einem sofort die Frage einfällt: “Wo warst du an diesem Tag?” Ähnlich wie am 4. Juli 1954 oder 7. Juli 1974 oder 11. September 2001, was aber zugegeben völlig unterschiedliche Ereignisse vereint. Was passierte also am 9. November 1989 in Herleshausen? Richtig: gar nichts. Die Pressekonferenz aus Berlin war zunächst nur eine Nachricht im Abendprogramm. Am verschlafenen Herbstabend in Herleshausen ahnte man noch nicht, was sich wenige Stunden später hier abspielen sollte. Diesen ganzen wunderbaren Wahnsinn konnte man sich noch nicht vorstellen. Wir kamen in den späten Abendstunden von einer Fahrt nach Kassel zurück ins Dorf, hatten natürlich im Radio jene Nachricht gehört und fuhren gleich mal runter an die “Grenze”, wie wir den Grenzübergang nebst Raststätten-Kneipe nannten. Doch dort herrschte noch absolute Ruhe, Geschäft wie immer quasi, und das war eher ruhig an jenem Abend. Die Ruhe vor dem Sturm. Der erste Trabbi sollte erst um 0.28 Uhr ankommen. Wir fuhren heim. Ein Fehler!
Fortsetzung folgt …